Ich wiederhole mich. Ich bin gegen diesen muffigen, provinziellen Kleingeist, der durch unsere Politik- und Medienlandshaft wabert. Um Himmels Willen, sollen Politiker doch bei Freunden Urlaub machen, sollen sie sich doch Fußballkarten schenken lassen, sollen sie zu teuren Events gehen, die sie sich, anders als manch anderer, der über sie herzieht, nicht leisten können. Wollen „wir“ – wie jetzt im „Fall“ von Herrn Wowereit, darüber entscheiden, ob Herr Schmidt ein echter Freund von Herrn Wowereit oder ein falscher Freund ist? Kann ein wichtiger Politiker und Mensch überhaupt selber mit Sicherheit entscheiden, ob Freunde richtige oder falsche Freunde sind? „Wichtige Menschen“ merken oft erst, ob sie richtige Freunde hatten, wenn sie nicht mehr wichtig sind.
Sorry, aber mich hat die Scheinheiligkeit der (politischen) Öffentlichkeit schon im Fall Wulff angekotzt, sie tut es jetzt wieder. Bei mir ohne Ansehen der Person. Das hätte anderen in der Vergangenheit gut angestanden.
Die „Steuerhinterzieherin und Versicherungsbetrügerin Lieschen Müller“ oder der „Ferienreiseveranstalter verklagende Upgradeprofi“ (um nur zwei beispiele zu nennen) sind für mich jedenfalls nicht der moralische Maßstab für Verhaltensweisen von Bundespräsidenten oder Regierenden Bürgermeistern, aber auch nicht jeweilige Oppositionspolitiker/innen mit Bonusmeilenaffären und Ähnlichem und Journalist/inn/en mit ihren vielfältigen Versuchungen, denen sie nicht immer widerstehen können, auch nicht. Ich berufe mich da nicht zuletzt auf Harald Martenstein…
Ich hoffe, es kehrt irgendwann wieder Vernunft ein, und Menschen können soziale Kontakte pflegen, sich sozialadäquat einladen und beschenken lassen, Freunde haben, auch wenn es später falsche Freunde gewesen sein könnten, und wir konzentrieren uns auf die Fälle der üblen Seilschaften, der betrügerischen Erschleichung von Leistungen und der Bestechung und Bestechlichkeiten. Da kann man begründbare Grenzen ziehen, wenn man will, man will bloß nicht, eines kurzfristigen politischen oder PR-mäßigen Vorteils wegen…